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… hat drei Aufgaben: Einmal ist sie als die interaktive Ergänzung zu meinem inzwischen abgeschlossenen Dissertationsprojekt „Hitzig und Berlin. Zur Organisation von Literatur (1800-1840)“ gedacht. Dann stellt sie mein aktuelles, an der Humboldt-Universität zu Berlin angesiedeltes Forschungsprojekt „Briefedition Julius Eduard Hitzig“ vor. Drittens gibt sie Auskunft über die Aktivitäten der Emmy Noether-Nachwuchsgruppe "Berliner Intellektuelle 1800-1830".

Donnerstag, 14. Juli 2011

Hitzig, Kleist und die Briefkultur um 1800

Passend zum Kleist-Jahr 2011 findet vom 27. bis zum 30. September in Krakau eine Tagung mit dem Titel "Heinrich von Kleist und die Briefkultur um 1800" statt. Mein Beitrag zu dieser Veranstaltung ist folgendermaßen angekündigt:

Form als Inhalt? – Die Korrespondenz des Kleistverlegers Julius Eduard Hitzig im Spiegel ihrer Materialität
Geht man davon aus, dass der Privatbrief noch im 18. Jahrhundert als das Gespräch zwischen Freunden in Abwesenheit verstanden wird (Gellert) und wendet man Kleists in seinem – in Briefform abgefassten – Aufsatz „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ (1804/05) formulierte Grundaussage folgerichtig auf Privatbriefe an, dann muss daraus geschlossen werden, dass auch jeder einzelne Brief um 1800 zumindest nach Kleists Verständnis einer gedanklichen Entwicklung unterliegt, die sich erst durch den Schreibprozess Bahn bricht. Der Brief und das Schreiben des Briefes werden in diesem Zusammenhang zum Katalysator einer tieferen Einsicht, wobei die „Erkenntnis mit [der Formulierung] der Periode“ erreicht ist.


Versucht der typische Privatbrief um 1800 tatsächlich das Gespräch als kleistsches Vehikel der Erkenntnis zu imitieren? Befördert und lenkt das imaginierte Gegenüber den Gedanken und den Ausbau einer Idee im Schreibprozess? Kann tatsächlich davon ausgegangen werden, dass sich die Niederschrift des Privatbriefs um 1800 mit dem von Kleist postuliertem „Reden als lautem Denken“ gleichsetzten lässt, oder fehlt hier die für die Unmittelbarkeit der Verknüpfung von Denken und Sprechen geforderte Kongruenz beider Akte und tut sich nicht vielmehr eine für Briefe typische Mitteilungsproblematik auf, nach welcher das Geschriebene das Innere nur in Grenzen adäquat wiedergeben kann und das Gemeinte damit stets verfehlt? Offenbart sich im Brief das Dilemma der „Unschreibbarkeit“ und der Entfremdung vom Gedanken durch den Schreibprozess?

All diesen Fragen soll anhand der materialen Bedingtheit von bis dato unedierten Briefen des Kleistverlegers Julius Eduard Hitzig nachgespürt werden. Hitzig, der mit einer Fülle von Literaten intensiven Briefkontakt pflegte – es lassen sich über 2000 Briefe nachweisen – kam als Knotenpunkt verschiedenster Netzwerke eine zentrale Mittlerrolle in Berlin zu Anfang des 19. Jahrhunderts zu. Gerade in seiner Funktion als Buchhändler und Verleger war er Schaltstelle umfangreichsten Briefverkehrs. Deutlich wird dabei, dass die Entscheidungen über Papiersorte und -format, Tintenfarbe, Faltung oder Schriftverteilung das Selbstverständnis des Verfassers sowie die Beziehung zum jeweiligen Empfänger spiegeln. Inwieweit sich Materialität allerdings tatsächlich mit dem Briefinhalt verbindet, sie sich gegenseitig bedingen oder unterstützen und dabei die Mitteilung mitbestimmen, gilt es zu untersuchen.

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